Ein paar Gedanken im Nachgang zur EWI-Energietagung 2025

20.01.2025 | Auch hier zu finden im Web

Batterie
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Energiewende

Über die Einladung zur EWI-Energietagung 2025 habe ich mich gefreut. Die Energiewende ist ein Teamspiel und man kann nur gut in einem Team zusammenspielen, wenn man im Austausch ist, miteinander spricht. Und erfolgreich ist ein Team nur, wenn es offen ist für neue Gedanken und Ideen. Konferenzen wie EWI-Energietagung, bei der Regulierung, Politik, Wissenschaft und die Branche zusammen über den richtigen Weg diskutieren, sind daher eine wichtige Umsetzungsvoraussetzung für die Energiewende.

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn Sie die Zukunft betreffen“ - ein Ausspruch, der unter anderem dem Physiker Nils Bohr zugeschrieben wird. Diese kleine Weisheit ist auch die große Gemeinsamkeit der verschiedenen Energieszenarien von EWI, Agora, DENA: Sie werden – und ich bin überzeugt, dass man das so plakativ formulieren kann – in ihren langfristigen Zukunftsprognosen alle falsch sein. Das ist keine Kritik am Studiendesign, sondern hat einen banalen Grund: Innovation und technischen Fortschritt kann man nicht über zwanzig Jahre vorhersagen. Ganz praktisch können wir das derzeit bei Batterien beobachten. Der aktuell noch gültige 2023er Netzentwicklungsplan geht für das Jahr 2037 von rund 90 GW, für das Jahr 2045 dann von maximal 168 GW Batterieleistung aus. In den vergangenen zwei Jahren sind die Batterie-Anmeldungen allein bei Amprion von nahe null auf 76 GW gestiegen. Und das betrifft nur Amprion und damit auch nur das Übertragungsnetz. Und das ist doch erst der Anfang. Mit diesem rasanten Anstieg kann man selbst die 350 GW aus dem Szenario des Ariadne-Reports als konservativ ansehen.

Wir können die Energiewelt bis zum Jahr 2045 also nicht vorhersagen. Die gute Nachricht ist: Wir müssen es auch nicht unbedingt. Eine der großen Verbesserungen der Ampel-Regierung in den vergangenen drei Jahren ist die enorme Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Wir brauchen nicht mehr 20 sondern nur noch rund 10 Jahre für eine neue Stromautobahn. Wir müssen uns also nicht fragen, wie die Energiewelt in 20 Jahren aussieht und welches Höchstspannungsnetz dafür zu planen ist. Wir können uns viel entspannter fragen: Welche Leitungen sollten bis 2035 gebaut sein, um für möglichst alle denkbaren weiteren Wege bis 2045 gut aufgestellt zu sein? Bei Projekten mit zehn Jahren Laufzeit hört es sich zwar komisch an, von Flexibilität zu sprechen. Aber die Flexibilität in der Netzplanung hat sich enorm verbessert.

Darin sehe ich eine konkrete Aufgabe für die kommende Legislatur in Bezug auf den Netzentwicklungsplan Strom (NEP): Die Szenarien deutlich, wirklich deutlich breiter zu fassen und für die Umsetzung die neu gewonnene Flexibilität zu nutzen. Die Frage sollte nicht lauten: „Welches Netz ist richtig für 2045?“, sondern „Welches Netz brauchen wir bis 2035 in jedem Fall?“ – immer mit Blick auf das Ziel der Klimaneutralität 2045, deren genaue Ausgestaltung wir heute noch nicht kennen, nicht kennen können.

Meine These: Die Nutzung der Flexibilität wird die Energiewende günstiger machen. Denn bei allen Prognosen zu den Kosten des NEPs haben wir die Kosten für Umsetzungsfehler auf dem Weg bis 2045 ja noch gar nicht berücksichtigt. Wenn wir die neuen Flexibilitäten stärker nutzen, reduzieren wir diese Fehler.

Und mit Blick auf den NEP sehe ich noch eine weitere Möglichkeit, die Energiewende günstiger zu machen. Wir sollten nicht gleichzeitig zwei Transformationen machen, sondern nur eine. Der aktuelle NEP enthält tatsächlich zwei Großtransformationen. 2045 ist Deutschland nicht nur klimaneutral, sondern auch energieautark. Nicht stromautark – energieautark! Das ist sehr tief im Gebälk und kaum öffentlich, aber tatsächlich importieren wir laut NEP zukünftig nur noch 10 - 15 % des deutschen Gesamtenergieverbrauchs. Aktuell sind es ca. 70 %.

Zentral ist hier der Wasserstoff. Laut NEP verbraucht Deutschland im Jahr 2045 dann 210 bis 336 TWh Wasserstoff, der in Deutschland erzeugt wird. Das geht mit Kosten für Offshore-Windparks, Elektrolyseure und Netzausbau einher. Europa wird bis dahin Wasserstoff in einer Größenordnung von 1300 bis 1600 erzeugen. Wir werden also von einem Weltmarkt für Wasserstoff ausgehen müssen. Warum nutzen wir diesen dann nicht für Importe? Wir wissen heute alle nicht, ob der Wasserstoff-Hochlauf kommt. Wenn er kommt, dann nicht nur in Deutschland. Statt uns jetzt schon über Kostenfolgen einer energieautarken Bundesrepublik verrückt zu machen und dies jetzt schon in rechtlich verbindlichen Ausbauprogrammen – denn das ist der Netzentwicklungsplan – vorzusehen, sollten wir einfach davon ausgehen, dass wir ein Land im Welthandel bleiben werden. Wir müssen uns ja nicht wie bei Gas - oder in den 1970ern bei Öl - von einer Quelle zu abhängig machen. Bei Kohle haben wir es nicht getan und es gab nie Probleme.

Für eine erfolgreiche Energiewende müssen wir aber auch wieder mehr in den Fokus nehmen, was der wahre Wettbewerbsvorteil des Standorts Deutschlands im Bereich Energie immer gewesen ist. Und das war nicht der Preis. Deutschland war nie ein Energieniedrigpreisland. Deutschland war immer ein Energiesicherland. Jeder Investor wusste: Hier bekomme ich Energie sicher und in jeder Menge. Maximal 15 Minuten Stromausfall im Jahr, in den höheren Spannungsebenen deutlich weniger. Das war unser Energievorteil, unsere Standortstärke im Energiebereich, nicht der Preis. Und insofern gilt für den Kohleausstieg: Kein Ausstieg ohne Einstieg. Und – das kann ich Ihnen zum Abschluss nicht ersparen – mit einer Eigenkapitalverzinsung von 5 Prozent senden wir ein klares Signal an die Netzbetreiber – insbesondere an die Verteilnetzbetreiber: Baut nicht ein starkes, sondern ein schlankes, kapitalextensives Netz.

Sicher ist: Der Preis darf kein Nachteil werden. Wir werden aber über eine regenerative Energieerzeugung keinen nachhaltigen Kosten- oder Standortvorteil für Deutschland erreichen, weil auch das europäische Ausland die Erneuerbaren ausbaut und die Erzeugung dort zum Teil günstiger ist. Eine erfolgreiche Energiewende muss unseren Standortvorteil Energiesicherheit, Versorgungssicherheit bewahren. Dafür braucht es sichere Erzeugung und starke Netze.

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